… vor nicht allzu langer Zeit, da beschlossen Esther und Ich, bevor wir sesshaft werden, uns auf eine große Reise zu begeben. Es sollte eine Rucksacktour durch Südamerika werden...
...da trug es sich zu, dass wir im Frühjahr 2010 Esther´s Eltern an der Mecklenburgischen Seenplatte besuchten. Sie hatten dort ein Hausboot gemietet.
In einem hübschen kleinen Kaffee fiel uns ein Buch mit dem Titel „Design in der DDR“ in die Hände. Beim Durchblättern gab es eine angeregte Unterhaltung über das ein oder andere nette Ostprodukt, unter anderem auch über die Motorräder aus Zschopau.
Esther hatte bereits vor 10 Jahren ihren Motorradführerschein gemacht, wurde aber durch zwei Stürze mit dem großen Chopper des Vaters verunsichert, seitdem machte sie sich nicht viel aus Motorradfahren.
Ich für meinen Teil hatte schon öfter mit dem Gedanken gespielt irgendwann einmal Motorrad zu fahren, kam aber immer wieder zu dem selben Entschluss: Es wäre für mich sicherlich besser , das mit dem motorradfahren zu lassen, da es zu gefährlich für mich wäre. Wir waren uns einig, dass die MZ 150TS ein wirklich gelungenes Stück DDR Design war.
Als wir da so saßen, vertieft im Gespräch, fiel mir ein, dass mein Vater im Wendejahr 1990 genau dieses Motorrad von einem Arbeitskollegen erworben hatte. Zu dieser Zeit plante der Arbeitskollege dem tristen Osten den Rücken zu zukehren, um in Westdeutschland, wo angeblich Milch und Honig in Bächen fliessen, sein neu erlangtes Westglück zu versuchen.
Die MZ war am Tank verändert und mit zwei mächtigen, verchromten Hupen und einen großen runden Scheinwerfer ausgestattet worden. Sie war dazu gedacht, zukunftig in den Sommermonaten von Dessau nach Wolfen in die Filmfabrik zu fahren. Dieser Plan meines Vaters wurde nie verwirklicht. Einige Wochen später,nach dem Motorradkauf, bekam er von einem Cousin einen Opel Ascona Coupe´ in moosgrünmetallic geschenkt. Von da an fuhr er mit dem Opel, seinem neuen, ganzen Stolz, täglich zur Arbeit.
So begann die MZ eine lange Zeit im Schuppen zu fristen, um 20 Jahre später von uns aus seinem Dornröschenschlaf erweckt zu werden. Vollkommen verstaubt, bedeckt von Gerümpel und Spinnenweben der letzten 2 Jahrzehnte, befreiten wir die MZ und nahmen sie mit nach Berlin. Gereinigt und von einem Freund wieder in Gang gebracht, mussten wir ihr nun noch neue Papiere besorgen.
Auf dem Fahrzeugschein prangte noch immer Hammer, Zirkel und Ehrenkranz. Sie war nach der Wende noch nie angemeldet worden. Laut TÜV brauchten wir nun erst mal ein Vollgutachten, was ganze 3 Monate dauern sollte.
Wir, ganz euphorisch von der Idee bald Moped fahren zu können, dachten darüber nach, wie es wohl aussehen würde, wenn ich großer Kerl als Sozius auf der MZ sitze. Somit war mir schnell klar, ich brauche einen Motorradführerschein. Es dauerte nicht lange, da saß ich in Berlin Lichterfelde Ost zwischen 16 - und 17- Jährigen, um wieder Verkehrsschilder und Parkregeln zu lernen . Meinem Naturel entsprechend ging mir nur noch eines durch den Kopf: „Mein eigenes Moped“. Die MZ hatte mein Vater Esther geschenkt, nun brauchte ich auch ein Eigenes.
Im Herbst 2008 bereisten wir beide für zwei Monate Indien. Wir wünschten uns dort öfter ein geeignetes Zweirad, um den stickigen Überlandbussen zu entkommen oder mal einen Platz zu finden, an dem man nicht binnen Sekunden von einer Traube Indern umzingelt wurde. Auf der Suche nach einem Roller bekam ich immer dieselbe Antwort: „Du bist ein großer Kerl, du brauchst eine ROYAL ENFIELD.“
Royal Enfield Bullet ist ein Motorrad aus den 40er Jahren, ursprünglich in England gebaut, verlegte seine Produktion nach dem Krieg nach Madras in Indien. Die Produktion wurde in den letzten 60Jahren nicht verändert, ein Traum von einem Motorrad in schwarz-metallic Lack mit vielen Chromteilen und dem kernigen Sound eines Lanz Bulldog Traktors. Das Einzige, was sich an der Royal Enfield Bulett 500 änderte, war der Preis. Während man in Madras bzw. in Bangalore heute für eine neue Maschine 1800€ bezahlt, müsste man in Deutschland für die importierte Maschine mit deutscher Straßenzulassung den utopischen Preis von 4800€ zahlen. Ein unglaublicher Preisunterschied den ich in keinster Weise akzeptieren konnte.
Also rief ich meinen Freund Toni, in Kalkutta an. Ich fragte Ihn, ob er mir nicht meinen Traum in Schwarz und Chrom besorgen könnte. Am besten eine der begehrten Militär oder Polizeimaschinen, gebraucht und mit allen Extras. Laut Toni sollte so eine Bullet in Indien nicht mehr als 800€ kosten.
Aber wie sollte ich sie nach Deutschland bekommen? Per Seefracht? Wie langweilig! Ich beschloss nach Indien zu fliegen, um die Enfield zu kaufen und nach Deutschland zurück zu fahren. Das wäre sicherlich nicht langweilig und laut Google mit 4300 km auch gar kein Problem. Für Esther war dieser Plan absurd, also versuchte ich sie zu überreden mitzukommen. Man könne ja zwei kaufen und damit eine Himalaja - Überquerung wagen, das wäre doch sicherlich toll. Allerdings galten Esthers Bedenken nicht der Strecke, sondern eher den etwas unkomfortablen, technisch veralteten Motorrädern.
Es war während unseres Andalusien Urlaubs im Herbst 2010, als unser täglicher Streit über die unbequemen Bullets, Indien und der anfänglichst erwähnten Südamerikatour, dann in einem sehr guten Kompromiss enden sollte. Wir würden anstatt der Royal Enfield´s mit zwei komfortablen und sicheren BMW´s fahren und unser Ziel sollte anstatt Südamerika oder Indien nun Bangkok werden. Damit waren wir beide sehr zufrieden. Im Laufe unserer weiteren Planungen wurden aus einem halben Jahr ein Ganzes, und aus Bangkok wurde Sydney.
Weil ich sehr abergläubisch bin schreibe ich an dieser Stelle nicht „..Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute...“
Inzwischen sind die Planungen in vollem Gange: wir werden am 16. September 2011 aufbrechen, unsere Wohnung im August auflösen und für das Jahr den Keller von Esthers Eltern beziehen. Die Jobs sind gekündigt und die zwei BMW´s stehen bereits im Hof und werden für die Reise fit gemacht.
Da wir beide Hörgeräteakustiker sind, haben wir uns vorgenommen, unsere Zeit auf der Reise nicht nur im Sattel der Maschinen zu verbringen, sondern auch schwerhörigen Menschen auf unserer Route quer durch Asien mit Hörgeräten zu versorgen. Mehr dazu findet ihr in der Rubrik „hören“.
Wir werden auch, wie gewohnt, die Reise mit der Kamera dokumentieren und die Bilder unter der Rubrik „sehen“ einstellen. Die Rubrik Fühlen wird ein Reiseblog und wird mit unseren Geschichten gefüllt. Es gibt zusätzlich noch unsere Route unter der Rubrik "bewegen", die wir stetig während der Reise aktualisieren werden und zu guter letzt unsere Rubrik "schmecken", dort erscheinen die kulinarischen Kuriositäten unserer Asientour.